MTV-Interview: Vom improvisierten Netz zum Zweitliga-Coach
Corona-Pause ist Interview-Zeit bei achtzehn62.de. Während der Zwangspause wollen wir Euch wieder mit ein paar Interviews unterhalten.
Den Anfang macht heute Marcel Müller (im Bild mit Christian, Jonas und Jochen), Zweitliga-Coach des FSV Mainz 05, der uns in diesem Jahr beim Sommerfest einen Besuch abstattete und daher kein Unbekannter unserer Abteilung ist.
Steckbrief:
Name: Marcel Müller
Alter: 37
Wohnort: Frankfurt/Main
Aktiv im TT seit: 1992
Aktive Karriere im Verein: 1992 – 1995, 1998 – 2015
Höchste Liga: Bezirksoberliga
Trainer seit: 1999 – 2001 (ehrenamtlich), 2001 – 2013 („nebenberuflich“), 2014 – heute (haupt- und freiberuflich)
Trainerstationen: SG Anspach, TTC Königstein, TSG Oberrad, Hessischer Tischtennis-Verband, TTC OE Bad Homburg, FSV Mainz 05
Marcel, erzähl uns bitte erstmal etwas über Deinen persönlichen Werdegang im aktiven Tischtennis:
Müller: Mein Vater hatte im Keller provisorisch einen Holztisch mit einem improvisiertem Netz aufgebaut und hat mit mir und meinem Bruder gespielt. Danach habe ich parallel zum Fußball im Verein angefangen und die Grundtechnik bei unserer „Vereinslegende“ Herbert Störkel erlernt. Nach drei Jahren hab ich mich dann (aus heutiger Sicht leider) erstmal komplett zum Fußball verabschiedet, da ich als Libero (die Position gab‘s damals noch!) sehr gut gespielt habe und einen Teil meines Freundeskreises auch beim Fußball hatte.
Erst mit 15 und dann ohne einen inhaltlich gut ausgebildeten, aber dafür sehr sozialkompetenten und engagierten Jugendleiter, habe ich wieder angefangen und dann sehr schnelle Fortschritte gemacht. Leider immer sehr einseitig und ohne athletisches Ausgleichstraining, hab ich mich dann mit 19 zur ersten Rückenschmerz-Symptomatik vorgekämpft. Ein ziemlicher Dämpfer, der mir intuitiv aufgezeigt hat: Du kannst mit viel Engagement vielleicht mal ganz gut werden (maximal Hessenliga), aber mit Leistungssport wird das alles nix zu tun haben!
Seit wann interessierst Du Dich für die Aufgaben des Trainers und gab es dabei ein Schlüsselerlebnis?
Müller: Mit 16 habe ich angefangen, im Nachwuchstraining mitzuhelfen und jüngeren Spielern mein damals wirklich sehr beschränktes Wissen zu vermitteln. Vom „Können“ will ich lieber gar nicht erst sprechen. Wir waren ein sehr junges Trainerteam und dadurch konnten wir viele talentierte Spieler gewinnen, denen wir dann versucht haben, Tischtennis beizubringen. Am Anfang habe ich mich mehr als Spieler gesehen, der Jüngeren versucht, etwas beizubringen. Eine wirkliche Perspektive als Trainer habe ich erst nach und nach eingenommen.
Es hat lange gedauert, bis mir bewusst geworden ist: Deine Rolle als Trainer hast du frühestens dann gut erfüllt, wenn talentierte Anfänger irgendwann mal mindestens besser werden als du selbst, und vor allem, wenn sie nicht deine Fehler und Schwächen reproduzieren. Gar nicht so leicht, weil junge Spieler, wenn sie sich mit dir identifizieren, unbewusst auch deine Bewegungen nachmachen. Aus heutiger Sicht eine wirklich skurrile Vorstellung.
Diese Erkenntnis hat auch dazu geführt, dass ich es lange Zeit vermieden habe, mich von SpielerInnen beobachten zu lassen, wenn ich selbst versuche, Tischtennis zu spielen.
Ein wirkliches Schlüsselerlebnis hat es nicht gegeben. Je mehr ich mich mit der Trainerrolle identifiziert habe, desto mehr habe ich aber auch den positiven Einfluss auf meine eigene Persönlichkeitsentwicklung gespürt. Insbesondere meine Fähigkeiten zur Selbstreflexion und zur Steuerung von Gruppendynamiken konnte und musste ich hier sehr gut entwickeln. Mein zweiter Studienweg mit den Fächern Philosophie und Erziehungswissenschaften hat mir natürlich auch ein gutes theoretisches Rüstzeug an die Hand gegeben, um das ganze auszubauen.
Welche Trainerscheine besitzt Du und in welcher Zeitfolge hast Du die Scheine erworben?
Müller: Ich besitze die vom DOSB anerkannten Lizenzstufen A, B und C, die in umgekehrter Reihenfolge absolviert werden müssen. Darüber hinaus habe ich eine sogenannte Kindertrainer- und D-Lizenz, die damaligen Einsteiger-Stufen. Heute wird das bundesweit in dem sogenannten StarTTer-Lehrgang vermittelt.
Hinzu kommen noch unterschiedliche, sportartübergreifende Zertifikate zur z. B. Methoden- und Sozialkompetenz, die mich qualifizieren, auch Trainer auf C- und B-Lizenzstufe auszubilden.
Ungewöhnlich ist tatsächlich, dass ich meine C-Lizenz erst sehr spät, nämlich 2011 angegangen und absolviert habe, die B-Lizenz dann direkt im Anschluss 2012 und die A-Lizenz 2015.
Mittlerweile bestreitest Du Dein Leben als Tischtennis-Trainer. Welche Art von Kundschaft hast Du?
Müller: Seinen Lebensunterhalt freiberuflich mit Tischtennistraining zu bestreiten, ist in der Tat ungewöhnlich und eine große, aber auch spannende Herausforderung. Im Tischtennis wird deutlich weniger Geld umgesetzt, als in medien-präsenteren Sportarten und hauptamtliche Stellen gibt es vorwiegend bei Verbänden und diese Stellen sind stark begrenzt, vielleicht 60 bis 80 in ganz Deutschland.
Weil die Zeitfenster – außer im Hochleistungs-Bereich – vorwiegend nachmittags, abends und am Wochenende liegen, ist es zum einen eine Herausforderung der privaten Lebensgestaltung und zum anderen erfordert es im freiberuflichen Bereich Stundensätze, die es mir ermöglichen können, neben meinem normalen Lebens-Bedarf auch Steuern, Versicherungen und eine Altersvorsorge zu bestreiten.
Grundsätzlich zählen zu meinem Kundenkreis alle Akteure im Bereich Tischtennis: Wir sprechen hier also von Verbänden, Vereinen, Einzelspielern und auch Schulen. Momentan liegt mein Schwerpunkt in der Arbeit beim Hessischen Tischtennis-Verband, für den ich ein Nachwuchsleistungs-Zentrum leite und beim FSV Mainz 05 im Bereich Spielvorbereitung und Coaching. Darüber hinaus leite ich einmal in der Woche eine leistungsorientierte Trainingsgruppe mit älteren Jugend- und Juniorenspielern, die ein Leistungsniveau von 1600 – 2000 TTR-Punkten aufweisen. In zwei Jahren dann ziel- und motivationsgemäß bis 2100 Punkten 🙂
Hinzu kommt punktuelles, aber regelmäßiges Einzeltraining mit SpielerInnen, die auch in einer der von mir geleiteten Gruppen trainieren.
Weitere Bausteine sind Traineraus- und Fortbildungen für den HTTV und gelegentliche Wochenend- und Vorbereitungslehrgänge bei interessierten Vereinen oder Gruppen. Hier kooperiere ich auch mit meinem Butterfly-Ausrüster-Store in Gießen und einer Tischtennis-Akademie in Mittelhessen.
Was macht den besonderen Reiz aus, Trainer zu sein?
Müller: Die Trainerrolle ist sehr vielseitig und umfasst unterschiedlichste Facetten. Je nachdem, mit welcher Altersgruppe oder auf welchem Leistungsniveau ich arbeite, werden verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten gefordert. Grundsätzlich ist es für mich besonders reizvoll und motivierend, mit Menschen zusammenzuarbeiten und Entwicklungsprozesse anzustoßen, zu begleiten und zu gestalten. Du bist immer wieder gefordert, brauchst einerseits Routinen – auch welche, um dich selbst zu steuern – und andererseits Freiräume, um kreativ zu sein.
Besondere Reize sind sicherlich das Wettbewerbselement und die damit verbundenen Spannungs- und Drucksituationen. Selbst nach knappen Niederlagen zehre ich emotional davon, weil ich in diesen Momenten immer voll im „Hier und Jetzt“ gefordert bin, um optimal zu performen.
Ein weiterer, besonderer Reiz für mich ist außerdem die Arbeit in der „1 zu 1“ – Situation, die im Leistungssport und in abgeschwächter Form auch im leistungsorientierten Sport, mit einer spezifischen pädagogischen Kompetenz einhergeht. Die Spieler-Trainer-Beziehung und der kontrollierte Einsatz von Nähe und Distanz stellt hier eine ganz besondere Herausforderung dar.
Während Deiner aktiven Karriere galtst Du als Heißsporn. Inwieweit hat Dich das Trainerdasein auch persönlich weiter entwickelt?
Müller: Also von einer aktiven Spieler-Karriere zu sprechen, ist in meinem Fall doch mehr als leicht übertrieben. Meine aktive Karriere habe ich gerade und zwar als Trainer. Oben hab ich es ja schon angedeutet, dass mir die Identifikation mit der Trainer-Rolle extrem geholfen hat, mich selbst zu reflektieren und dadurch Selbstentwicklungsprozesse anzustoßen. Auch als sehr junger Trainer – zudem mit Fußball-Kultur-Background – war ich sicherlich auch ein Heißsporn, mit allen positiven und negativen Eigenschaften, die das mit sich bringt. Heute bin ich es nur noch dann, wenn es der Rahmen erfordert und ermöglicht und dem Team oder dem Spieler hilft.
Du bekommst als Trainer eigentlich immer ein sehr gutes Feedback. Entweder direkt durch Spieler, Gegner, Eltern und andere Trainer oder auch indirekt, über kurz- und langfristige Ergebnisse und Entwicklungen im Charakter der SpielerInnen. Dieses Feedback hilft enorm im eigenen Entwicklungsprozess.
Genauso wichtig – das möchte ich hier auch betonen, weil es für mich ein sehr einschneidender Prozess war – ist nicht nur die Identifikation mit der Trainerrolle, sondern auch die Relativierung dieser Rolle. Das war und ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur Professionalisierung, der durch das hohe Maß an persönlicher Einsatzbereitschaft, nicht immer leicht zu durchleben ist.
Wie entdeckst und entwickelst Du Spielsysteme Deiner Schüler/innen. Nicht jede/r spielt ja gleich. Das ist sicher ein langer Prozess.
Müller: Eine sehr interessante Frage, auf die es sicherlich nicht DIE Antwort gibt und somit auch keinen Königsweg. Je länger ich mich gezielt mit dem Bereich Spielsystem-Entwicklung beschäftige, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass neben objektiven Faktoren (Größe, Hebel, muskuläre Voraussetzungen) auch subjektive Faktoren eine sehr wichtige Rolle spielen. Hier ist vor allem die Charakter-Struktur entscheidend: Jemand, der gerne abwartet und Fallen stellt, kommt als defensiverer Spieler eher in Frage, als jemand, der gerne direkt die Karten auf den Tisch legt. Natürlich entwickelt sich so etwas auch und vielleicht sogar durch den Sport selbst. Darüber hinaus musst du berücksichtigen, wie oft der/die SpielerIn trainieren kann und will und auch ihre bzw. seine Fähigkeit abstrakten Denkens solltest du bei der Entwicklung eines Systems berücksichtigen. Man darf nicht vergessen, dass ein Tischtennis-Spiel komplexer aufgebaut werden kann als ein Schach-Spiel. Das muss es aber natürlich nicht: Je weniger Auswahlmöglichkeiten mir zur Verfügung stehen, desto weniger Entscheidungsdruck habe ich. Manchmal ist es eben auch genau die geschickte Reduktion der Komplexität, die eine/n SpielerIn zur optimalen Leistungsentfaltung bringt.
Wie ist im Vergleich dazu der Umgang mit den Profi-Spielern beim FSV Mainz 05? Du beschreibst Deine Aufgabe ja mehr als Coach denn als Trainer.
Müller: Meine Aufgabe in Mainz besteht in der Spielvorbereitung und dem Coaching am Spieltag. Neben der Gegner-Analyse und der strukturierten Planung des Spielwochenendes, ist hier vor allem die Steuerung der Gruppendynamik ein ganz entscheidendes Element. Da Tischtennis sowohl ein Einzel- als auch ein Teamsport ist, musst du versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, die jedem Raum gibt, seine Persönlichkeit einzubringen ohne, dass dadurch ein anderer zu kurz kommt. Hier darf man die Leistungs- und Persönlichkeitshierarchie innerhalb eines Teams nicht unterschätzen. Im Gegenteil, man kann sie sehr gut nutzen. Da sich die Jungs oft nur an den Wochenenden sehen und auch unterschiedliche Sprachen sprechen, ist es sehr wichtig, auch Team-Time außerhalb der Halle zu organisieren.
Gleichzeitig verstehe ich meine Verantwortung als Trainer auch so, dass die Jungs nicht nur die optimale Leistung fürs Team abrufen, sondern auch ihre individuelle Entwicklung unterstützt wird. Der Sprung von der 2. Bundesliga zum Vollprofi ist tatsächlich noch ein sehr großer und an der Stelle entscheidet es sich, wer langfristig vom Tischtennis leben kann und für wen der Sport wieder eine ambitionierte und zeitintensive Nebenbeschäftigung wird. Austausch mit den Heimtrainern oder Feedback zu Trainingsvideos bedingen natürlich das Wissen über die individuellen Spielsysteme und die Entwicklungsschritte der Spieler. Allerdings bin ich hier als Coach am Rande dieses Prozesses und unterstütze ihn flankierend. Das gibt mir jedoch gleichzeitig die Möglichkeit, mich selbst auf diesem Leistungsniveau weiterzuentwickeln.
Welche Erfolge konntest Du bisher als Trainer feiern?
Müller: Auch das ist eine spannende Frage. Von den Titeln und Ergebnissen her gesehen, zählt ganz sicher der Titel des Deutschen Mannschaftsmeisters U15 mit der SG Anspach im Jahr 2007 dazu. Sehr gute Coaching-Resultate waren sicherlich der Titel des Hessenmeisters der B-Schüler, den Lion Bauer holte und der Titel des Hessenmeisters der Herren durch Marc Rode. Eine besonders intensive und erfolgreiche Coaching-Dynamik habe ich auch bei einer DTTB-Top 48 Rangliste empfunden, als ich Jens Schabacker betreut habe. Ich weiß es gar nicht mehr genau, aber es war ein sehr gutes Turnier mit einer starken Platzierung unter den Top 10.
Mein Erweckungs-Erlebnis als Damen-Trainer und -Coach hatte ich bei der TSG Oberrad: Wir sind dreimal in Folge aufgestiegen und ich konnte viel über den Unterschied im Training und Coaching von Damen und Herren lernen. Für mich ein persönlicher Erfolg 🙂
Die Vize-Meisterschaft mit den 05ern letztes Jahr in der 2. Liga ist sicher auch ein großer Erfolg. Durch den corona-bedingten Abbruch der Saison konnte sich aber kein richtiges Hochgefühl einstellen. Außerdem muss man natürlich auch sagen, dass das Grundniveau der Jungs letzte Saison super war. Als Coach eines Tischtennis-Teams stehst du genauso in der Verantwortung, wie in anderen Teamsportarten, jedoch, so ehrlich muss man sein, ist durch die Einzel-Komponente der Einfluss des Coaches schon geringer als in Teamsportarten, in denen du als Trainer für gruppen-taktische Konzepte verantwortlich bist. Es ist also anders als im Fußball, Handball oder im Basketball zum Beispiel. Das bringt den Vorteil, dass du nicht so schnell hinterfragt wirst, zumindest, wenn die Atmosphäre im Team positiv ist; es hat aber auch den Nachteil, dass du im Erfolgsfall niemals derart im Focus stehst wie Trainer in den Teamsportarten.
Dein Spieler Cedric Meissner konnte bei den letzten Deutschen Meisterschaften Patrick Franziska schlagen, den Du ja seit Kindesbeinen kennst. Inwieweit hatte das Einfluss auf Dein Coaching?
Müller: Auch wenn du mir jetzt vielleicht übertriebene Spitzfindigkeit unterstellst, Jochen: Ich mag die Bezeichnung „dein Spieler“ nicht. Cedric hat das sehr gut gemacht und natürlich haben wir durch die Spiele mit Mainz schon eine gute Coaching-Dynamik entwickelt, dennoch war es seine Leistung; von mir wurde sie unterstützt, nicht mehr und nicht weniger. Klar ist daher: Der Spieler gewinnt und der Spieler verliert. Das Feedback als Coach erhältst du über das Vertrauen, dass ein/e SpielerIn dir schenkt. Ich habe – nach meinem Empfinden – schon sehr gute Leistungen vollzogen, obwohl der von mir gecoachte Spieler sehr schlecht abgeschnitten hat und natürlich auch anders herum.
Jetzt zu deiner konkreten Frage: Vielleicht war es ein kleiner Vorteil. In der Runde davor hat Patrick am Nebentisch gespielt und ich konnte erkennen, dass er nicht sehr selbstsicher drauf war. Wenn man ihn länger kennt, weiß man, dass er ab und zu solche Phasen hat.
Ich habe Cedric daher eine sehr riskante Taktik mit häufig langen, überraschenden Aufschlägen vorgeschlagen, so dass Patrick möglichst keinen Zugriff aufs Spiel bekommt und nur schwer einen Rhythmus entwickeln kann. Patrick hat sich nach 1:3-Rückstand in den Entscheidungssatz gekämpft. Hier kann ich Cedric nur loben, dass er weiter an sich geglaubt hat. Viele andere brechen in solch einer Situation ein. Mit dem – das muss man schon zugeben – Glück des Tüchtigen, hat er dann gewonnen.
Wie gehst du als professioneller Trainer mit den Corona-Zwangspausen um? Das Jahr 2020 war und ist ja sicher auch für Dich mehr zum Vergessen.
Müller: Es ist schon eine große Herausforderung. Allerdings denke ich, gilt das für alle und für andere Selbständige zumal. Wer z. B. hohe laufende Kosten hat, dem steht sicher so manchmal gefühlt zumindest das Wasser bis zum Hals. In meiner Situation kann ich mich zum Glück sehr einschränken und meinen Bedarf stark reduzieren. Außerdem sind fast alle meine Partner sehr fair mit mir umgegangen und wir haben bisher immer gute Lösungen gefunden.
Am meisten hat mich während des ersten Lock-Downs eine ideelle Frage belastet: Zeitweise habe ich den Sinn meiner Berufung als Sporttrainer hinterfragt, dies war keine schöne Phase, weil es mir mit der Zeit die Motivation zum Durchhalten aus den Knochen gezogen hat. An der Stelle ist mir sicherlich der Rückhalt durch meine Familie und sicher auch mein Philosophie-Studium zu Gute gekommen. Ich konnte mir Zusammenhänge bewusst machen und dann auch die Bedeutung von „System-Relevanz“ für mich relativieren. Allerdings kann ich mir gut vorstellen und ich weiß es auch aus persönlichen Gesprächen, dass viele Kulturschaffende von ähnlichen Gedanken geplagt wurden und werden.
Das Wissen um eine zweite von mir angestrebte „Karriere“ nach meiner Zeit als Tischtennis-Trainer hilft mir sicher auch, diese Zeit zu durchleben und mich mit anderen Interessen, Hobbys und meinen universitären Verpflichtungen zu befassen.
Welche Ziele hast Du als Trainer noch?
Müller: Konkret möchte ich mich in den nächsten Jahren vor allem im Nachwuchs-Leistungssport-Bereich etablieren. Das heißt, ich möchte gerne mit 12 bis 18-Jährigen SpielerInnen arbeiten und sie zu einem Punkt vorbereiten, an denen eine Profi-Karriere ein realistisches Ziel darstellt. Optimalerweise lässt sich das mit meinem Engagement bei Mainz 05 verbinden, so dass ich einen von mir mit-entwickelten Spieler dort auf diesem Weg begleiten kann.
Um mich auch für den Hochleistungs-Bereich zu qualifizieren, möchte ich mittelfristig das Studium zum DOSB-Diplom-Trainer an der Sporthochschule Köln absolvieren.
Und selbstverständlich fände ich es ziemlich geil, mal an der Box zu sitzen im Finale einer Deutschen Einzelmeisterschaft und dann natürlich den Spieler, vielleicht Cedric, zum Sieg zu unterstützen. Und genauso geil wäre es natürlich, mit Mainz in die TTBL aufzusteigen und dann im Oberhaus mitzumischen.
Olympia ist sicherlich immer ein Traum, mich motivieren die greifbaren Ziele aber mehr und … Tischtennis ist nicht alles.
Wie hältst Du Dich fit, denn als Trainer spielt man ja selbst nicht oft.
Müller: In Sporthallen bin ich oft genug. Deshalb bin ich für mich selbst gern im Freien. In der warmen Jahreszeit sicherlich lieber. Joggen und Schwimmen sind ein super Ausgleich, sowohl körperlich, als auch mental. Auch im Fitness-Studio sieht man mich seit ca. einem Jahr öfter, die Sauna danach gehört dann fast immer zum Pflichtprogramm 😉
In den Sommermonaten steht für mich, wie du weißt, das Bergwandern ganz oben. Nächstes Jahr gehen wir mal durchs Reintal auf die Zugspitze und wenn du es dir zutraust, dann nehmen wir mal die Watzmann-Überschreitung in Angriff.